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Games-Förderung: Bundesrechnungshof rügt Vergabe-Praxis (Update)

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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)

Der Bundesrechnungshof hat die Games-Förderung des Wirtschaftsministeriums analysiert – und lässt an der bisherigen Praxis kaum ein gutes Haar.

Update vom 27. Juni 2024 (16 Uhr): Der Industrie-Verband Game weist die Kritik des Bundesrechnungshofs zurück und bemängelt in einer Stellungnahme, dass die Perspektive der Aufseher „die weltweite Marktrealität völlig verkennt“ und „entscheidende Faktoren“ außer Acht lässt.


Games-Förderung: Bundesrechnungshof rügt Vergabe-Praxis

Meldung vom 27. Juni 2024 (14:30 Uhr): 28 Seiten umfasst die „abschließende Mitteilung“, die der Bundesrechnungshof in dieser Woche veröffentlicht hat (PDF). Darin nimmt die Bonner Aufsichts-Behörde die Computerspiele-Förderung des Bundes unter die Lupe, die der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Herbst 2019 initiiert hat und seit der Bundestagswahl 2021 von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verantwortet wird.

In der Subventions-Datenbank des Bundes finden sich derzeit exakt 570 Projekte – für 30 Spiele sind Zuschüsse zwischen 1,5 und 5,7 Mio. € eingeplant (Überblick). Seit Mai 2023 gilt ein Antrags-Stopp, weil die Fördertöpfe vorzeitig ausgeschöpft waren. Die Situation ist unverändert, da der Haushalt für 2024 keinen Nachschlag vorsieht – entgegen der 125-Mio.-€-Forderung des Branchenverbands Game.

Mit dem Ergebnis, dass bis auf Weiteres nur bereits zugesagte Tranchen ausbezahlt werden – die Förderung neuer Projekte liegt hingegen auf Eis. Im Vorgriff auf eine mögliche Wiederaufnahme im Jahr 2025 arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) an einer ‚Weiter-Entwicklung‘ des Programms.

Doch entfalten die bisherigen Zuschüsse in dreistelliger Millionen-Höhe überhaupt die beabsichtigte Wirkung mit Blick auf Studio-Gründungen, Investitionen, Produktqualität und internationaler Wettbewerbsfähigkeit? Genau diese Fragen hinsichtlich „Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit“ hat sich auch der Rechnungshof gestellt – und kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen.

Anno 117: Pax Romana von Ubisoft Mainz ist das größte Einzelprojekt im Rahmen der staatlichen Games-Förderung (Stand: 11.6.2024)
Anno 117: Pax Romana von Ubisoft Mainz ist das größte Einzelprojekt im Rahmen der staatlichen Games-Förderung (Stand: 11.6.2024)

So haben die Prüfer überraschend deutliche, weil sehr grundsätzliche Zweifel an der formellen Zuständigkeit des Bundes. Denn die Förderung der Wirtschaft – hier: die Unterstützung von Games-Unternehmen – sei „grundsätzlich Aufgabe der Länder“. Die Erwartungshaltung des Rechnungshofs: „Soweit die Finanzierungskompetenz nicht gegeben ist, ist die Förderung des Bundes einzustellen“.

Das Wirtschaftsministerium hat auf diese offene Flanke offenkundig bereits reagiert und will künftig die Länder viel stärker als bisher in die Pflicht nehmen – aus den Staatskanzleien in Düsseldorf, München und Berlin kommt heftiger Protest.

Als problematisch erachtet der Rechnungshof, dass die Subventionen als „nicht rückzahlbare Zuwendungen“ ausgestaltet sind. Sprich: Die Studios dürfen das Geld behalten – unabhängig davon, ob das Spiel ein Vielfaches der Kosten wieder einspielt. Mehr noch: Der Rechnungshof kommt anhand der geprüften Einzelfälle zu dem Ergebnis, dass „Computerspiele auch in Deutschland mit wirtschaftlichem Erfolg produziert werden können“. Konsequenz: Um wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Zuwendungen zurückfordern zu können, sollten nur noch „bedingt rückzahlbare Zuwendungen“ erfolgen.

Kritisch blicken die Prüfer auch auf die Förderquote: Bei Entwicklungs-Budgets von bis zu 2 Mio. € trägt der Staat die Hälfte der Kosten – bei aufwändigeren und damit teureren Spielen sinkt die Quote auf 25 Prozent. Die Studios müssen also einen Eigenanteil zwischen 50 und 75 Prozent nachweisen und selbst aufbringen.

Wie es der Zufall will, wurde für den Löwenanteil der Projekte die maximale Förderquote beantragt – was zwangsläufig das Risiko von „Mitnahme-Effekten“ birgt, worauf neben ‚Games-Minister‘ Habeck auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) mehrfach hingewiesen hat. Nicht jedes Projekt ist demnach auf Subventionen angewiesen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen müsse daher „deutlich intensiver“ als bisher geprüft werden – auch mit dem Ziel, dass viel mehr Studios als bisher von der Förderung profitieren können.

Wirtschaftsminister Robert Habeck, Ubisoft-Sprecherin Nicole Lorenz und Ubisoft Blue Byte-Chef Benedikt Grindel am BMWK-Stand auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)
Wirtschaftsminister Robert Habeck, Ubisoft-Sprecherin Nicole Lorenz und Ubisoft Blue Byte-Chef Benedikt Grindel am BMWK-Stand auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)

Zu den bereits erkannten Schwächen der staatlichen Computerspiele-Förderung gehört in diesem Zusammenhang das sogenannte Windhund-Prinzip: Denn die Bearbeitung der Anträge erfolgte bislang in der Reihenfolge der Einreichungen – wer zu spät kam, ging leer aus. Der vorwarnungslose Antrags-Stopp hat gerade bei Startups und kleinen Studios mit dünnem Eigenkapital zu mittelschweren, teils existenziellen Verwerfungen geführt. Der Bundesrechnungshof plädiert für feste Stichtage – auch mit dem Ziel, im Anschluss aus den vielversprechendsten Anträgen wählen zu können.

Abschließend fordert der Rechnungshof die Formulierung eindeutiger Kennzahlen, um die Games-Förderung auch unterjährig seriös beurteilen zu können: „Eine begleitende Erfolgskontrolle des Förderprogrammes mit einer Zielerreichungs-, Wirkungs- und Wirtschaftlichkeitskontrolle ist für die seit mittlerweile fünf Jahren laufende Förderung unterblieben.“

Trotz der bereits erfolgten Stellungnahmen des Wirtschaftsministeriums bleiben beim Bundesrechnungshof noch Fragen offen. Konkrete Antworten auf die „zahlreichen Beanstandungen“ erwartet man sich in Bonn vom Entwurf der neuen Förderrichtlinie, die seitens des Ministeriums rechtzeitig vor den Beratungen des Haushaltsausschusses im Herbst vorzulegen sei.

Nicht Teil des Prüfberichts ist ein 100-Mio.-€-Games-Förder-Paket für die Jahre 2024 bis 2026, das der Bundestag bei der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) geparkt hat: Zur Stunde gibt es keine Indizien, wie das konkrete Konzept aussieht und wann das Haus von Claudia Roth (Grüne) mit der Auszahlung starten kann.

6 Kommentare

  1. Es sollte Kultur gefördert werden. Aber hier sehe ich primär nur geförderte Big Player die mit Kulturschund und Innovationsarmut den Markt zumüllen.

  2. Schön, dass endlich nun auch von offizieller Seite eine Einschätzung in diese Richtung abgegeben wurde. Ich gehe mit vielen der genannten Punkte dakor, insbesondere dürfen Firmen, die sich die Entwicklung auch aus eigenen mitteln leisten könnten, nicht mehr gefördert werden. Stattdessen müssen diese Unternehmen – wie etwa Ubisoft – dann platz für Startups und andere kleinere Studios machen. Auch dürfen die Fördergelder nicht als bloßes Geschenk der Steuerzahler gesehen werden sondern müssen – wenn nicht sogar mit einem deutlichen Plus – an uns als Gemeinschaft zurückbezahlt werden. Eine Umatzbeteiligung des Bundes wäre denkbar um zukünftig die Fördertöpfe wieder aufzufüllen.

    Bin mal gespannt was uns da in Zukunft erwartet

  3. Faszinierend finde ich auch die Liste der Geförderten.
    Ubisoft wieder vorn mit dabei wenn es staatliche Förderungen abzugreifen gibt.
    Nach dem Debakel um „Skull & Bones“ hat es durchaus ein Geschmäckle.
    Warum Unternehmen in der Größe überhaupt gefördert werden erschließt sich mir nicht so ganz.
    Die 8-9 Millionen die sich dieser 5 Milliarden Dollar Konzern einverleibt hat hätte einigen Indie Studios sicherlich deutlich besser gestanden.

    • Es geht am Ende doch nur um die Aktionäre, alles andere interessiert diese Großkonzerne doch überhaupt nicht. Anders kann ich es mir zumindest nicht erklären, dass Vorstandbosse Millionenboni ausgezahlt bekommen während in den letzten beiden jahren mehr als 10.000 Mitarbeiter ihre Jobs verloren haben

      • Naja, es kann schon positiv für den Bund sein größere Studios zu fördern, die sich ansonsten ins Ausland verziehen würden. Mehr Stellen in Deutschland, die Deutschland als Standort für Fachkräfte attraktiver machen und Arbeiter, die dann deutsche Steuern zahlen. Da haben große Unternehmen schon mehr Zugkraft als Indies.

        Dass das in der Praxis nicht so funktioniert weil Vorstände sich gerne besser bezahlen als sie es verdienen, ist natürlich eine andere Sache 🥸

    • Voraussetzung sind Ausgaben in Deutschland wie für Arbeitskräfte oder gemietete Räume. Bei Ubisoft reden wir effektiv von ehem. Related Designs mit immer noch einem gewissen Teil der Belegschaft seit Anno 1701. Das würde ich doch schon als deutsches Studio bezeichnen, auch wenn jetzt Ubisoft draufsteht.

      Klar sollte die heimische Wirtschaft im Vordergrund stehen, aber das Ziel ist es ja auch internationale Firmen hierherzuholen. Warum sind denn viele Studios in Toronto und Co? Weil es dort Tax Credits gibt.

      Und ob jetzt jedes Startup oder kleines Team gleich besser ist als ein großer Konzern sei auch mal dahingestellt. Soll es diese großen Förderungen geben solange es eine Alternative für kleine Teams gibt. Aktuell haben wir aber gar nichts außer die Landesförderung also das sollte unser Hauptaugenmerk sein wie sich das jetzt 2025 entwickelt mit Bund und Länder.

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