Start Meinung Die Kunst der Ankündigung (Fröhlich am Freitag)

Die Kunst der Ankündigung (Fröhlich am Freitag)

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Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der Bekanntgabe des EM-Kaders (Szene aus DFB-PK)
Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der Bekanntgabe des EM-Kaders (Szene aus DFB-PK)

Wie kündigt man eigentlich heutzutage seriös und gleichzeitig wirkungsvoll ein neues Spiel an? Eindeutige Antwort: Kommt drauf an.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

der Deutsche Fußball-Bund hat sich für die Bekanntgabe des Nagelsmann-Kaders mit Blick auf die Europameisterschaft in Deutschland (startet am 14. Juni) etwas besonders Pfiffiges ausgedacht. Anstatt die Namen der Berufenen stumpf in einer Pressekonferenz mit dem Overhead-Projektor an die Wand zu werfen, gab es in den vergangenen Tagen Hinweise in Form medialer Häppchen – auf Social Media, stationär, auf Konzerten, live im Fernsehen.

Daran beteiligt: Musiker Peter ‚Major Tom‘ Schilling, eine Döner-Bude, eine Kunsthalle in Frankfurt, ein Konzert der Rapperin Nina Chuba (Wildberry Lillet), die Brötchentüte eines Stuttgarter Bäckers, die Tagesschau im Ersten, der Podcast von Felix und Toni Kroos, RTL-Boulevard-Urgestein Frauke Ludowig, Influencerin Oma Lotti, der Radio-Sender 1Live, ein GZSZ-Schauspieler, eine Busfahrerin, Lothar Matthäus, eine Instagram-Dachdeckerin, eine Schulklasse, das Lufthansa-Bodenpersonal und eine Berliner Litfasssäule. Ach so, und Günther Jauch.

Deutscher geht’s kaum.

Dieses Salami-Verfahren ist bei Presse und Fans nicht gleich gut angekommen, sorgte aber dafür, dass die Nationalelf und das bevorstehende Turnier faktisch täglich medial stattgefunden haben. Ziel erreicht. Allein für den Umstand, dass Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner seine Epistel diesmal mit ordentlich Schaum vorm Mund in die Schreibmaschinentasten gehackt hat („Lieber DFB, Fußball ist kein Witz!“), kann man Konzept und Umsetzung eigentlich nur feiern.

Im DFB-Hauptquartier in Frankfurt hat man sich offenkundig gemeinsam mit Agenturen Gedanken gemacht, wie die meist etwas staatstragend und piefig daherkommende Verlesung von Vor- und Zunamen etwas aufgelockert werden könnte. Wie frische Akzente gesetzt werden, abseits von Gewohntem und Bekanntem. Und wie sich ganz nebenbei vermeiden lässt, dass die Listen auf den üblichen Kanälen an Sky, Springer und Sport1 durchgestochen werden.

Die Frage lautet also: Wann, wie, wo? Herausforderungen, vor denen regelmäßig auch Games-Studios und -Publisher stehen: Auf welchem Wege lassen sich Spiele-Neuheiten, Trailer und Release-Daten am wirkungsvollsten kommunizieren?

Die Wahl von Timing und Medium hat viel damit zu tun, welcher Bekanntheitsgrad mit Studio und Marke verknüpft sind. Sprich: Bin ich Singer-Songwriter-Newcomer? Oder Taylor Swift? Für Call of Duty oder die Nintendo Switch 2 gelten demzufolge andere Spielregeln als für das Debüt einer UG aus dem Sauerländischen.

Folgende Methoden haben sich bewährt:

  • Showcases, Directs, Livestreams: Ubisoft, Microsoft, Nintendo, Sony PlayStation und weitere Groß-Produzenten setzen auf unregelmäßige, vorproduzierte 30-, 45-, 60-Minüter mit wechselnden Schwerpunkten – Blockbuster wechseln sich mit Indie-Titeln ab. Kann man machen, wirklich vom Hocker hauen die aseptischen, überraschungsarmen Produkt-Kaskaden aber niemanden mehr.
  • Live-Events und Messen: Einst galten Formate wie die E3 in LA und die Gamescom in Köln als Pflichttermine. Nach dem E3-Aus verbleiben netto nur noch Geoff-Keighley-Shows von und mit Geoff Keighley – etwa das Summer Game Fest, die The Game Awards oder Gamescom Opening Night Live, in deren Verlauf sich ein generischer Trailer an den anderen reiht. ‚Echte‘ Weltpremieren‘ sind super-selten – weshalb sich Keighley mittlerweile veranlasst sieht, das Publikum vorzuwarnen, damit bloß keine überzogenen Erwartungen aufkeimen.
  • Über Bande gespielt: Erklärungsbedürftige, komplexe Spiele und/oder Titel der 2. bis 3. Reihe tun gut daran, auf den Kanälen und damit der Reichweite von ‚Medienpartnern‘, sprich: Fachmagazinen und Content Creatorn zu surfen. Mit exklusiven Anspiel-Sessions und Letsplays wird ein stabiles Grundrauschen erzeugt, das sich im Anschluss mit Kickstarter-Kampagnen und Steam-Wishlists montetarisieren lässt.
  • Und schließlich die Königsdisziplin: die Ankündigung der Ankündigung. Dieses Großereignis, das mehrere Tage oder gar Wochen im Voraus angeteasert wird, eignet sich ausschließlich fürs oberste Regal – für AAA-Marken wie Call of Duty, Assassin’s Creed, Far Cry, Diablo, The Witcher, Grand Theft Auto, EA Sports FC und natürlich für Spielkonsolen: Switch 2, PlayStation, Xbox, all sowas. Also für Plattformen und Franchises mit bestehender, loyaler Zielgruppe, die berechenbar ihre Funktion als Multiplikator wahrnimmt.

Der vor uns liegende Juni bildet üblicherweise den Startschuss der alljährlichen ‚Announcement Season‘: In den kommenden Wochen entlang der Fußball-EM bis zur Gamescom 2024 Ende August jagt ein Showcase den nächsten, in denen sich dann hoffentlich die bis dato noch arg leeren Terminkalender fürs Weihnachtsgeschäft und 2025 füllen.

Und wer weiß, vielleicht gucken sich ja sogar die Gamescom-Macher die Häppchen-Methode bei Nagelsmann ab. Denn Stand heute – drei Monate vor Öffnung der Messehallen – hat die Koelnmesse noch keinen einzigen Spielehersteller bestätigt, der Ende August in Köln am Start sein wird. Die letzte Pressemitteilung stammt vom … oh … März.

Und wenn es so läuft wie 2023, dann werden noch acht lange Wochen vergehen, ehe die Vor- und Zunamen der teilnehmenden Aussteller verlesen werden. Damit muss man als argloser Ticket-Käufer erstmal umgehen können.

Deshalb an dieser Stelle schon mal einige gutgelaunte Servier-Vorschläge, um die Gamescom im DFB-Style ins Gespräch zu bringen.

  • Übers Laufband einer Düsseldorfer Sushi-Bar wird die Ubisoft-Teilnahme kommuniziert (aus Gründen).
  • Lukas Podolski meldet sich aus seiner Strassenkicker Base und kündigt eine EA Sports FC 25-Talk-Show in Halle 7 an. Mario Basler ist auch dabei. Und natürlich ein Rudel Influencer.
  • Die Landwirtschafts-Simulator-Macher von Giants Software organisieren eine Traktor-Sternfahrt auf der Domplatte. Motto: Wir ackern für die Gamescom.
  • Plaion kooperiert mit Ritter Sport und bewirbt auf den Schokotäfelchen die Kingdom Come Deliverance 2-Burg in Halle 9.
  • Parallel meldet sich Regina Halmich per Insta-Story aus dem Raab-Trainingslager und wirbt für den Undisputed-Boxring, ebenfalls in Halle 9: „Das Spiel wird euch umhaun … genauso wie ich den Stefan.“
  • Und Microsoft Xbox startet eine neue Indy-Offensive am Kölner Messe-Kreisel. Anlass: Indiana Jones und der Große Kreis.

So wird es kommen. Schätze ich mal.

Einstweilen ein schönes, extra-langes Pfingst-Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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1 Kommentar

  1. Korrektur: Fußball ist ein Witz. Anders kann ich mir nicht erklären warum 20 körperlich erwachsene Mäner 90 Minuten stumpf einem Ball hinterherlaufen und millionen dies feiern als sei es eine Religion und der Messias högst selbst aus dem Himmelreich herabgestiegen. Leider habe ich bis heute noch nicht die Pointe gefunden um mitlachen zu können

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